Durststrecke der Bierbrauer

Die Brauer müssen sich auf eine neue Realität einstellen. Aktuelle Zahlen zeigen, dass der Bierkonsum noch immer weit vom Vorkrisen-Niveau entfernt ist. Über die Gründe – und ein Ausreißer-Produkt, das sich gegen den allgemeinen Trend immer besser verkauft.

Erst Corona, dann horrend steigende Lebenshaltungskosten: Die Menschen in Deutschland haben immer weniger Lust auf Bier. In der Folge haben die Brauereien und Bierlager in der ersten Hälfte des Jahres wieder weniger von dem alkoholischen Getränk abgesetzt als zuvor. 4,2 Milliarden Liter bedeuteten einen Rückgang um 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag berichtete. Nur im Corona-Jahr 2021 wurde in einer ersten Jahreshälfte weniger Bier verkauft und getrunken – als Gaststätten und Volksfeste weitgehend geschlossen blieben.

Weit entfernt ist das Vorkrisen-Niveau, das lediglich von einem schleichenden Konsumschwund geprägt war, weil die im Durchschnitt immer älteren Menschen in Deutschland weniger Bier tranken und sich gesünder ernähren wollten. Im ersten Halbjahr 2019 setzten die Erzeuger noch rund 375 Millionen Liter Bier mehr ab als zurzeit. Über 80 Prozent der Produktion bleiben im Inland, der Export hat sich 2023 etwas stabiler gezeigt.

Gründe der Durststrecke

Der Deutsche Brauer-Bund nennt Gründe für das unerwartet schwache Ergebnis zum Halbjahr. Neben dem kühlen und durchwachsenen Wetter im Frühling halte vor allem die Inflation die Konsumenten von Ausgaben ab. Dies bekämen Handel, Gastronomie und Brauereien zu spüren, sagt Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Die Betriebe könnten die Kosten, die seit Beginn der Corona-Krise explodiert seien, nur zu einem kleinen Teil als höhere Preise weitergeben.

Nach jüngsten Untersuchungen der NielsenIQ-Marktforscher sind zuletzt aber die Basispreise für Bier im Supermarkt gestiegen. Der alte Promotionspreis von 9,99 Euro für eine Kiste Bier ist aus den Prospekten des Einzelhandels weitgehend verschwunden.

Niklas Other vom Branchenfachblatt “Inside” sieht die Branche dennoch im “Long Covid”. Die Betriebe kämen nach der Corona-Krise nicht mehr richtig auf die Füße. Dem negativen Trend hätten sich auch die großen Marken trotz hoher Frequenz ihrer Sonderangebote nicht entziehen können, berichtet das Fachblatt. Mit Ausnahme der Marken Warsteiner und Erdinger haben die größten zehn Anbieter Absatzverluste erlitten.

“Das Ostergeschäft war ein Totalausfall – die Verbraucher haben einfach nicht zugegriffen”, berichtet Veltins-Chef Michael Huber. Dies sei nicht mehr aufzuholen. Letztlich sei man in der neuen Realität des Biermarktes angekommen. Jede Brauerei stehe zudem vor enormen Investitionen in klimafreundlichere Produktionsanlagen.

Der Veltins-Manager sieht auch die uneinige Ampelkoalition in der Verantwortung für die maue Konsumstimmung: “Beim Griff der Inflation ins Portemonnaie macht der Verbraucher automatisch seine Geldbörse zu. Wenn der Staat wie beim Heizungsgesetz zusätzlich in die Ersparnisse fassen will, suchen die Haushalte grundsätzliche Orientierung, weil Zukunftssorgen greifen.”

Lichtblick: alkoholfreie Biersorten

Für Brauer-Bund-Mann Eichele und viele Unternehmen bleibt ein Hoffnungsschimmer: Vom Gesundheitstrend profitieren bereits seit Jahren die alkoholfreien Biersorten, über die das Bundesamt abseits der Steuerstatistik berichtete. Von ihnen wurden im gesamten vergangenen Gesamtjahr 474 Millionen Liter im Wert von 396 Millionen Euro produziert, ein Anteil von mehr als sieben Prozent am Gesamtausstoß. Damit hat sich die Menge alkoholfreien Biers innerhalb von zehn Jahren nahezu verdoppelt. Leichte Biermischgetränke wie Radler wuchsen in dieser Zeit um 24 Prozent auf 403 Millionen Liter im vergangenen Jahr.

In der Gastronomie haben sich die alkoholfreien Sorten bereits einen Anteil von 14 Prozent aller Bierbestellungen erobert, berichtet der Gastro-Digitaldienstleister Kollex in seinem Markt-Monitor zum Tag des Bieres (4. August). Dazu kommen noch relativ konstant rund fünf Prozent Biermischgetränke.

Quelle: dpa